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SERIE
Heute: Tauchen in der Ruhr
Flusstauchen ist in Ländern wie Österreich
oder Italien recht weit verbreitet. In
Deutschland hingegen kaum. Die Ruhr ist
einer der wenigen Flüsse, die in bestimmten
Abschnitten für den Tauchsport geeignet
sind. Unerfahrene Taucher sollten sich nicht
ohne Begleitung auf dieses Abenteuer
einlassen. Die Strömung kann für Taucher
eine große Herausforderung darstellen.
Hinzu kommen weitere Gefahren wie
möglicherweise gefährliche Funde am
Flussgrund oder Schiffsverkehr.
FLUSSTAUCHEN
Abtauchen in eine geheimnisvolle Welt
Unterwegs mit einer Taucher-Gruppe, die in Essen regelmäßig die Tiefen der Ruhr erkundet
Tobias Appelt (Text)
Michael Gottschalk (Fotos)
Essen.
Tom Grey ist auf dem Weg in eine ge-
heimnisvolle Welt. Die Uferböschung ist
steil, feucht und rutschig obendrein. Vorsich-
tig setzt Grey einen Fuß vor den anderen.
Kurz darauf steht der Taucher schon knietief
in der Ruhr. Noch ein Schritt, und das Was-
ser umspült seine Hüfte. ,,Dann mal los",
sagt er. Mit Daumen und Zeigefinger formt
er einen Kreis, dann dreht er die Hand und
zeigt mit dem Daumen nach unten. Es sind
die internationalen Taucher-Zeichen für ,,Al-
les okay, wir tauchen jetzt ab." Einen Augen-
blick später ist Tom Grey unter der Wasser-
oberflfäche verschwunden.
Etwa zwei Meter weit geht der Blick
Der 50-Jährige bewegt sich nun in einer Welt,
die den Menschen, die am Ufer spazieren,
verborgen bleibt. Mit sanften Flossenschlä-
gen schiebt er seinen Körper durchs Wasser.
Schwebeteilchen trüben die Sicht, etwa zwei
Meter weit geht der Blick. An manchen Ta-
gen sieht er beim Tauchen kaum die Hand
vor Augen. ,,Die Bedingungen heute sind
aber sehr gut für einen Tauchgang", hatte
Grey zuvor schon beim Anlegen seiner
Tauchausrüstung gesagt. ,,Der Wasserstand
ist recht hoch, der Durchflfuss aber niedrig ­
wir müssen also nicht so sehr gegen die Strö-
mung anstrampeln."
Im Sommer des Jahres 2011 ist Tom Grey
zum ersten Mal in der Ruhr abgetaucht. Der
Essener Hobbytaucher hatte keine großen
Erwartungen, er wollte ,,einfach mal gucken,
wie es ist, in der Ruhr zu tauchen". Was er
sah, gefiel ihm so gut, dass inzwischen rund
200 Ruhr-Tauchgänge in seinem Logbuch
notiert sind. Und er hat weitere Taucher aus
seinem Umfeld für die Ruhr begeistert. Re-
gelmäßig trifft sich der private Freundeskreis
nun zu Unterwasserausflfügen. Sie verabre-
den sich über eine Whatsapp-Gruppe, sie hat
aktuell 15 Mitglieder. Meist tauchen sie in
Vierergruppen gemeinsam ab. Ihr Stammre-
vier ist dabei die Ruhr im Bereich des Esse-
ner Stadtteils Steele. ,,Wir sind aber auch im-
mer auf der Suche nach weiteren Orten, an
denen sich das Abtauchen lohnt."
Die Ruhr ist ihnen ans Herz gewachsen
Doch besonders die Ruhr ist ihnen ans Herz
gewachsen ­ weil sie so abwechslungsreich
ist. ,,Jeder Tauchgang ist anders", sagt Tom
Grey. ,,Die Sichtweite und die Strömung va-
riieren, Flora und Fauna verändern sich im
Jahresverlauf, und unter Wasser gibt es im-
mer wieder etwas zu entdecken."
In der Vergangenheit hatten Ruhr-Taucher
mit ihren Unterwasser-Funden mehrfach für
Schlagzeilen gesorgt. Sie fanden mutmaßli-
ches Diebesgut, das wohl von Einbrechern
entsorgt wurde, etwa aufgeknackte Tresore
oder Schmuckschatullen. Aber auch Über-
reste aus Kriegen haben sie bereits im Was-
ser entdeckt: Granaten, Blindgänger, Ge-
wehre. So folgte auf manchen Tauchgang
ein Anruf bei der ,,110". ,,Bei der Polizei ken-
nen die uns schon", scherzen die Taucher.
Beim heutigen Tauchgang bleiben solche
Überraschungen aber aus. Fast eine Stunde
lang sind Tom Grey, Udo Wedde (58) und
Daniel Schmeer (45) im Wasser. Sie errei-
chen dabei Tiefen von etwa 4,50 Metern.
Der Blick aufs Thermometer verrät ihnen,
dass die Ruhr-Temperatur an diesem Tag bei
etwa zwölf Grad Celsius liegt. Mit Trocken-
tauchanzügen schützen sich die Männer
gegen die Kälte.
Müllsammeln unter Wasser
Zur Ausrüstung der Taucher gehören auch
Stoffb
f eutel. Wä
W hrend ihrer Touren füllen sie
diese Netze mit Müll, den sie unterwegs ein-
sammeln. Heute sind dies vor allem jede
Menge Plastiktüten. Später
entsorgen die Tau-
cher den Müll an Land. Das Fundstück des
Tages ist jedoch: ein Kochtopf, eingewickelt
in Plastikfolie. Als die Sportler das Bündel
an Land öffnen, sehen sie: ein blaues Hand-
tuch, eine Peperoni, zwei geschälte Knob-
lauchzehen und ein Küchenmesser. ,,Wer,
bitte, wirft denn sowas in den Fluss?", fragt
Tom Grey. Die Frage bleibt ohne
Antwort. Die Ruhr ist halt eine
geheimnisvolle Welt.
,,Die Sichtweite und
die Strömung variie-
ren, Flora und Fauna
verändern sich im
Jahresverlauf, und
unter Wasser gibt es
immer wieder etwas
zu entdecken."
Tom Grey, Essener Hobbytaucher
Der Zander stammt ursprünglich aus dem
Osten und Norden Europas. Durch Zucht und
den Einsatz von Jungfischen in andere
Gewässer ist er mittlerweile in
ganz Mitteleuropa verbreitet ­
auch in der Ruhr ist der Zander
(,,Sander lucioperca") zu finden.
Der bei Anglern sehr beliebte
Fisch gehört zur Familie der
BarscheundwirdimSchnitt40
bis 50 Zentimeter lang. Es gibt
aber auch Berichte von Exemplaren, die in
der Länge bis zu 1,30 Meter erreichen.
Solche Tiere bringen dann bis zu 19
Kilogramm auf die Waage.
WAS SCHWIMMT DENN DA?
FUNKEGRAFIK NRW: HUBER
Lippe
Wupper
Ruhr
Lenne
Bigge
Rhein
Niers
Volme
Emscher
WACHTENDONK
DUISBURG
OLPE
BOCHUM
LENNESTADT
HAGEN
GRIETH
WITTEN
HATTINGEN
MÜLHEIM
ESSEN
REMSCHEID
15 km
Hier ist alles im Fluss
WESEL
Das Leben ist ei
n langer, ruhiger Fluss? Tau-
chen Sie doch mal
in unsere Serie ein, wieviel
"Leben am Fluss"
in unserer Region steckt!
,,Alles okay" zeigt Taucher Tom Grey an. Er steht dabei bis zum Hals im Wasser der Ruhr.
Safety First: Wenn Tom Grey und seine Freunde die Unterwasserwelt der Ruhr erkunden,
machen sie mit knallgelben Taucherbojen auf sich aufmerksam.
am Sonntag
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MEIN SONNTAG
Sonntag, 28. April 2019